Japan \(710 bis 1603\): Vom Absolutismus des Kaisers zur Herrschaft der Schogune

Japan \(710 bis 1603\): Vom Absolutismus des Kaisers zur Herrschaft der Schogune
Japan (710 bis 1603): Vom Absolutismus des Kaisers zur Herrschaft der Schogune
 
Das 7. Jahrhundert ist in die japanische Geschichte als ein Jahrhundert der Reformen eingegangen. Unter maßgeblicher Mitwirkung von Fujiwara no Fuhito, dessen Familie jahrhundertelang die Politik des Kaiserhauses bestimmen sollte, wurden die zahlreichen Einzelreformen 701 im Taihōkodex zusammengefasst; das Land war zu einem zentralistischen, bürokratisch organisierten Staat unter der absoluten Herrschaftsgewalt des Kaisers geworden.
 
 Die Narazeit (710—784)
 
Kaiserin Gemmei ließ die erste ständige Hauptstadt Japans, Heijō-kyō, das heutige Nara, anlegen; sie wurde nach kontinentalem Muster erbaut und 710 bezogen. Diese Herrscherin veranlasste auch die Aufzeichnung der besonders für die Mythologie wichtigen Reichschronik »Kojiki« und der Provinztopographien »Fudoki« mit Angaben zur Lokalgeschichte. Das »Nihon-shoki«, die erste der »Sechs offiziellen Reichsgeschichten«, sowie eine revidierte Fassung des Taihōkodex, der Yōrōkodex, wurden zwar erst nach Gemmeis Rücktritt 715 fertig, aber Fujiwara no Fuhito dürfte an ihnen noch entscheidend mitgewirkt haben.
 
Die Verbesserung landwirtschaftlicher Arbeitsmethoden, die Ausweitung der Anbauflächen und der Ausbau des Straßennetzes, zudem der Fortfall der hohen Kosten für Residenzneubauten führten um die Mitte des 8. Jahrhunderts zu steigendem Wohlstand der höfischen Gesellschaft und ermöglichten damit eine kulturelle Blüte (Tempyōzeit, etwa 730—770): Nicht nur die Tempelanlage des Tōdaiji in Nara mit ihrer 752 geweihten großen Buddhastatue, auch die im Tempelschatzhaus Shōsōin befindlichen kostbaren Kunstgegenstände und kunsthandwerklichen Arbeiten aus kaiserlichem Besitz machen Kunst, Geschmack und Reichtum dieser Epoche deutlich.
 
Geistig-religiös stand der Buddhismus im Mittelpunkt. Fuhitos Enkel, Kaiser Shōmu, verfügte 741, in jeder Provinz sei ein buddhistischer Tempel zu errichten, der Tōdaiji war als ihr Zentrum gedacht. Mit Shōmu und verstärkt nach seinem Tod 756 nahm der Einfluss der buddhistischen Geistlichkeit auf Hof und Regierung zu. Der Priester Dōkyō brachte es sogar zum Großkanzler und strebte nach der Kaiserwürde, wurde aber 770 gestürzt. Nun besetzten wieder Angehörige der Familie Fujiwara die Führungspositionen. Sie suchten den buddhistischen Klerus von den Staatsgeschäften auszuschließen, und auch Kaiser Kammu war bestrebt, den Hof aus dem Einflussbereich der großen Klöster zu entfernen. Vermutlich deswegen verlegte er 784 die Hauptstadt nach Nagaoka.
 
 Die frühe Heianzeit (ab 794)
 
Im November 794 zog der Kaiser abermals um, diesmal in die neue Stadt Heian-kyō, die der folgenden Zeit (bis 1185) den Namen gab; sie heißt heute Kyōto und blieb Residenz der Kaiser bis 1869.
 
Die Kontrolle der Lokalverwaltungen, auch für Rekrutierungen wichtig, handhabte Kammu streng. Ebenso schritt er gegen das Anwachsen steuerfreien Großgrundbesitzes ein, besonders gegen den von Tempeln und Klöstern, allerdings ohne dauerhaften Erfolg. Wegen wiederholter Aufstände des Volksstamms der Emishi im Norden der Hauptinsel Honshū reformierte Kammu das veraltete Heerwesen. Macht und Ansehen des Thrones konnten seine Söhne jedoch nicht in dem ererbten Maß erhalten. Künste und Wissenschaften erreichten in der Heianzeit wieder ein hohes Niveau. Das Chinesische herrschte in der Literatur noch vor. Auch das Bildungswesen folgte chinesischem Vorbild.
 
 Der Beginn der Fujiwarazeit (866)
 
Innenpolitisch leitete Fujiwara no Yoshifusa mit einer meisterhaften, bösartigen Intrige die beschleunigte legale Entmachtung der regierenden Kaiser ein. Mit seiner Ernennnung zum Regenten 866 beginnt die Spätphase des Absolutismus, sie wird auch als Fujiwarazeit bezeichnet. Das Regentenamt war später in der Familie Fujiwara erblich: Ihre Töchter heirateten in das Kaiserhaus, und sie verstand es, die »Herrschaft« minderjähriger Kaiser auszunutzen.
 
Der amtierende Kanzler am Beginn des 10. Jahrhunderts, Fujiwara no Tokihira, machte sich mit seinem Vorgehen gegen das Anwachsen privaten Großgrundbesitzes viele Feinde. Verdient machte er sich u. a. durch die Mitherausgabe der letzten, chinesisch abgefassten »Sechs Reichsgeschichten« (901). Unter den japanisch geschriebenen belletristischen Werken wurde eine erste offizielle Anthologie japanischer Gedichte (Kokin-wakashū) um 908 abgeschlossen, Mitherausgeber war der als Dichter berühmte Ki no Tsurayuki, der auch das älteste Reisetagebuch (Tosa-nikki) in der Landessprache verfasste; Männer schrieben sonst damals grundsätzlich chinesisch. Im 10. Jahrhundert entwickelte sich die japanisch geschriebene Prosaliteratur sprunghaft, bis zwischen 1010 und 1020 die klassische Literatur mit dem »Kopfkissenbuch« (Makura no sōshi) und dem »Genji-Roman« (Genji-monogatari) auf ihrem Höhepunkt stand; die Autoren waren Damen der höfischen Gesellschaft.
 
Seit dem 10. Jahrhundert gewannen die Krieger zunehmend an Bedeutung, parallel dazu verlief die Konzentration steuerfreier Latifundien. Besonders im Kantōgebiet (um das heutige Tokio) erreichten die Krieger große Macht; einer ihrer Führer wagte es sogar 940, sich zum Kaiser auszurufen. Den Westen des Landes machten Seeräuber unsicher; die Zentralregierung hatte Mühe, die Ruhe wieder herzustellen.
 
 Die Regentschaft des Fujiwara no Michinaga (966—1028)
 
Ab 967 blieb die Position der Fujiwara als Großkanzler und Regenten unangefochten; mit nur kurzen Unterbrechungen war bis 1868 stets ein Mitglied ihres Hauses Regent. Die Besetzung dieses Amtes regelte die Familie mitunter intern, ohne den Kaiser zu fragen. Der bedeutendste der Fujiwararegenten, Fujiwara no Michinaga, leitete die Regierungsgeschäfte von der Hauskanzlei seiner Familie aus, die staatlichen Verwaltungsorgane wurden weitgehend bedeutungslos. Michinagas (nur teilweise) erhaltener Landsitz, der heutige Byōdōin in Uji, spiegelt die Pracht und den verfeinerten Kunstsinn seiner Zeit. Militärisch war der Kaiserhof aber, da er kein stehendes Heer unterhielt, so schwach, dass Fujiwara no Michinaga zum Schutz der Hauptstadt und zur Durchführung staatlicher Zwangsmaßnahmen die Hilfe eines der erstarkten Kriegergeschlechter selbst benötigte, um den anderen gebührend begegnen zu können. Für ihre Unterstützung erhielten Kriegerfamilien Privilegien in den Provinzen, auch für ihre Besitzungen, und glänzende Titel. Daran änderte sich auch im folgenden Jahrhundert nichts. Gewalttätige Übergriffe waren auch von den Klöstern zu befürchten; deren größte unterhielten damals Bewaffnete, ungeachtet des buddhistischen Gebotes, nicht zu töten. So setzten, als 1039 über 3000 Mönchssoldaten des Klosters Hieizan die nahe Metropole bedrohten, Angehörige des Hauses Taira ihre Truppen gegen sie ein. Im Norden, in Mutsu, hatten die Abe ein nahezu autonomes Gebiet errichtet. Minamoto no Yoriyoshi wurde 1051 mit ihrer Niederwerfung beauftragt; dies gelang jedoch erst 1062 mithilfe der den Abe benachbarten Familie — die danach deren Gebiet dem ihren angliederte.
 
 Der Bürgerkrieg — Taira und Minamoto
 
Von der Bevormundung durch die Fujiwara konnte Kaiser Shirakawa das Kaiserhaus befreien, indem er, nach seiner Abdankung 1087, eine eigene Hofhaltung und Verwaltung aufbaute und damit die Macht im Reich behielt; er hatte sie schon als regierender Kaiser tatsächlich ausgeübt. Die Fujiwara blieben als entmachtete Regenten am Hof eines nur nominell regierenden Kaisers. Die Epoche der Herrschaft der zurückgetretenen Kaiser (»in-sei«; bis ins 13. Jahrhundert) begann. Zunächst wirkte sich das System günstig aus, aber es förderte den weiteren Autoritätsverlust des Kaisers. Die Unterstützung durch den vom Hofadel im Grunde verachteten Schwertadel war jedoch keineswegs überflüssig geworden. In der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts errangen die Taira große Macht. Taira no Kiyomori hatte im Dienst des Exkaisers das Monopol für den Chinahandel erworben und kontrollierte die Inlandsee. Unter diesen Umständen kam es zu komplizierten Frontbildungen in der Hauptstadt. Die gleichzeitige Existenz mehrerer Exkaiser führte zu Zerwürfnissen auch in der Familie Fujiwara.
 
Der erste offene Zusammenstoß ereignete sich im Juli 1156 (Hōgenaufstand) zwischen dem Kaiserhaus, den Fujiwara, Minamoto und Taira. Neue Differenzen führten zum Heijiaufstand (Januar 1160), bei dem die Minamoto Exkaiser Goshirakawa und den amtierenden Kaiser gefangen setzten. Taira no Kiyomori schlug die Erhebung nieder, befreite die Gefangenen und schickte die überlebenden Putschisten in die Verbannung, darunter Minamoto no Yoritomo und dessen Halbbruder Yoshitsune. Kiyomori brachte nun aber breite Kreise gegen sich auf, noch mehr, nachdem er 1180 seinen zweijährigen Enkel Antoku hatte inthronisieren lassen: Ein Sohn Goshirakawas und ein Minamoto riefen zum Aufstand gegen die Taira auf; damit begann der Bürgerkrieg. Minamoto no Yoritomo verließ seinen Verbannungsort und sammelte Truppen. Nach Kiyomoris Tod (1181) führte Yoritomo die Kämpfe fort und trug sie von seiner Basis im Osten aus weiter in das Zentrum und den Westen der Hauptinsel. Das organisatorische Geschick und die taktische Begabung Yoshitsunes setzten den Heeren der Taira zu und führten zu der Seeschlacht von Dannoura, die mit einem großen Sieg der Minamoto endete (1185). Viele Taira gingen zugrunde, Kaiser Antoku ertrank. Die entscheidende Phase des Bürgerkrieges war nun beendet, mit ihm der letzte Abschnitt des Absolutismus.
 
 Der Beginn des Kamakura-Schogunats (1192)
 
Schon während des Krieges hatte Minamoto no Yoritomo mit dem Aufbau einer eigenen Verwaltung in seiner Residenz Kamakura begonnen; dabei zog er erfahrene, gut ausgebildete ehemalige hauptstädtische Beamte in seinen Dienst. Mit der Ausdehnung seines Einflussbereiches stießen immer mehr Krieger zu ihm, und er fügte sie in sein aus kleinen Anfängen entwickeltes Lehnssystem ein. Den Abfall Yoshitsunes nutzte er, um dem mit diesem im Bunde stehenden Exkaiser Goshirakawa weitgehende Vollmachten abzuringen; so wurde ihm gestattet, in allen Provinzen Militärgouverneure sowie für alle Domänen Vögte einzusetzen. Kamakura wurde damit die Basis für den Aufbau einer umfassenden feudalistischen Organisation sowie eines Kontroll- und Verwaltungsapparats, der sich über fast ganz Japan erstreckte. Nur im Norden gab es noch einen starken möglichen Gegner, den Fürsten von Mutsu in Hiraizumi; mit ihm hatte sich Goshirakawa gegen Yoritomo verbinden wollen, und dorthin war auch Yoshitsune vor den Verfolgungen seines Halbbruders geflohen.
 
Unter einem Vorwand und ohne offiziellen Auftrag fiel Yoritomo in das Fürstentum ein, zerstörte es 1189/90 und gliederte es seinem Machtbereich an. Erst jetzt war der Bürgerkrieg abgeschlossen, ganz Japan der Militäradministration unterworfen. Aber Yoritomos unversöhnlicher Gegner Goshirakawa verweigerte ihm die erhoffte Ernennung zum Schogun. Erst der damals zwölfjährige Kaiser Gotoba sprach sie, vier Monate nach des Exkaisers Tod, aus. Am 21. August 1192 begann damit formell das Schogunat. Der Kaiser in Kyōto war entmachtet. Nur für die Bestallung der Schogune, die er verfügen musste, war seine Unterschrift erforderlich. Diese wechselseitige Abhängigkeit garantierte den Fortbestand des Kaiserhauses während der folgenden rund 700 Jahre der Kriegerherrschaft.
 
 Machtverlust des Schogunats unter Yoritomos Söhnen
 
Unter den Söhnen Yoritomos (✝ 1199) setzte sogleich der Machtverlust der Schogune ein. Hōjō Tokimasa, Großvater des 3. Schoguns, des letzten Sohnes von Yoritomo, übernahm schließlich mit der Funktion eines Militärregenten (Shikken) die Position, die bis 1333 erblich in seiner Familie blieb. Nach 1219 — Yoritomos Linie erlosch damals — ließen die Machthaber in Kamakura Angehörige des höfischen Hochadels als Schogune einsetzen, seit 1252 Mitglieder der kaiserlichen Familie. Sie waren aber nur nominell Träger eines Titels, wie es die Kaiser neben Regenten und Exkaisern waren. Die Bemühungen des Hofes, die Regierungsgewalt zurückzugewinnen, scheiterten sämtlich. Spektakulär war der Versuch von 1221: Gotoba, nun Exkaiser, wähnte sich stark genug, den Militärregenten Hōjō Yoshitoki aller seiner Ä mter zu entkleiden, und erklärte ihn zum Gesetzesbrecher. Wenig später rückten die Heere Kamakuras auf Kyōto vor, drangen nach schweren Kä mpfen in die Hauptstadt ein und bestraften die Verantwortlichen. Drei Exkaiser wurden verbannt, der Kaiser zum Rücktritt gezwungen und die direkt beteiligten Hofadligen hingerichtet.
 
 Bis zum Niedergang des Kamakura-Schogunats (1333)
 
Einer der bedeutendsten Militärregenten, Hōjō Yasutoki, ließ einen Kodex zusammenstellen, der den besonderen Bedürfnissen der Kriegergesellschaft entsprach. Die mustergültigen Zustände in den vom Schogunat direkt beaufsichtigten Klöstern des Kantōgebietes zogen berühmte Mönche in den Osten Japans; hier breitete sich auch die Lehre des Zen weiter aus. Der Hof rief Yasutoki 1242 sogar zur Schlichtung von Thronfolgestreitigkeiten an und beugte sich seinem Spruch. Das Ansehen des Schogunats hatte einen Höhepunkt erreicht, wie es nur noch einmal unter Yasutokis Urenkel Tokimune geschah, während dessen Amtszeit der Mongolenherrscher Kubilai Japan 1274 und 1281 vergeblich zu unterwerfen suchte.
 
Der Zustand der ständigen Verteidigungsbereitschaft verschärfte, zumindest regional, die wirtschaftliche Lage. Misswirtschaft und Arroganz des Hōjō Takatoki riefen schließlich Zerwürfnisse unter den tonangebenden Gruppen Kamakuras hervor, die es Kaiser Godaigo erleichterten, zum Aufstand gegen die Hōjō aufzurufen. Thronfolgestreitigkeiten hatten zum Bruch geführt, Kōgon wurde 1331 zum Gegenkaiser eingesetzt. Ashikaga Takauji sollte mit Hōjōtruppen gegen Godaigo ziehen, wechselte aber die Front und eroberte im Juni 1333 Kyōto für Godaigo; Kamakura fiel im Juli: Das Schogunat brach zusammen, Hōjō Takatoki beging am 4. Juli 1333 mit vielen Angehörigen seiner Sippe Selbstmord.
 
 Spaltung des Kaiserhauses
 
Godaigo zog Mitte Juli 1333 in Kyōto ein und übernahm die Staatsgeschäfte. Da er jedoch die höheren Positionen bevorzugt mit Höflingen, ohne Erfahrung und die nötige Ausbildung, besetzte, konnte er die Missstände nicht beseitigen. Die Unzufriedenheit wuchs, überlebende Hōjō hatten sogar Kamakura zurückgewinnen können. Gegen sie entsandte er Ashikaga Takauji, der sich jedoch nach der Einnahme des Ortes befehlswidrig darin niederließ. Godaigo befürchtete die Wiedererrichtung des Schogunats und ließ ein Heer gegen Takauji ausrücken. Es wurde geschlagen, Takauji zog nach Kyōto. 1336 errang er den entscheidenden Sieg über die Kaiserlichen und setzte Kōmyō als Kaiser ein. Godaigo floh 1337 nach Yoshino, wo er den »Südlichen Hof« gründete. Damit war das Kaiserhaus in zwei Linien gespalten. Da Godaigo die Reichsinsignien mitgenommen hatte und sie bei seinen Nachfolgern blieben, wurde seine Linie später als die legale anerkannt.
 
 Chronische Finanznöte unter dem Muromachi-Schogunat (1338—1573)
 
Mit der Ernennung Ashikaga Takaujis 1338 zum Schogun beginnt das Schogunat der Ashikaga oder von Muromachi; der Bezirk Muromachi in Kyōto wurde unter dem 3. Ashikaga-Schogun Yoshimitsu Sitz der Militäradministration.
 
Der Südhof führte einen zunächst recht erfolgreichen Kleinkrieg gegen die insgesamt stärkeren Truppen des Schogunats, sah sich aber schließlich zu einer Einigung genötigt. 1392 übergab der Südhof dem Nordkaiser Gokomatsu die Reichsinsignien und erkannte ihn damit an. Eine wirtschaftliche Entlastung bedeutete das Ende des Erbfolgekriegs allerdings nicht: Der Schogun Yoshimitsu gab große Summen für Künste und Künstler aus. Politisch war er sehr geschickt, sowohl im Umgang mit dem Kaiserhof, der hohen Geistlichkeit und seinen mächtigen Vasallen als auch, nach der Bezwingung seines letzten bedeutenden Gegners im Westen (1400), bei den wirtschaftlich wichtigen Verhandlungen mit dem chinesischen Kaiser.
 
Unter seinen Nachfolgern verschlechterte sich das Verhältnis zum Hof und zu China. Familienzwist minderte ihr Ansehen und ihre Macht. Einzelne Vasallen brachten, von der schwachen Zentralverwaltung kaum gehindert, weite Ländereien an sich. Manchen trug der Überseehandel große Gewinne ein. Den Ashikaga-Schogunen gelang es dagegen nie, die Staatseinkünfte zu verbessern. Man hat die Finanz- und Staatsverwaltung ihrer Zeit als die wahrscheinlich schlechteste der ganzen japanischen Geschichte bezeichnet. Den 8. Ashikaga-Schogun Yoshimasa hinderten weder Seuchen noch Hungersnöte, Unsummen für Künstler und ihre Werke auszugeben; er ließ in Kyōto den Ginkakuji (»Silberpavillon«) errichten, der Zenmaler Sesshū schuf seine Meisterwerke. Die Politik kam dabei zu kurz; den Ausbruch des Ōninkrieges (1467—77) soll Yoshimasa so verschuldet haben. Dieser Bürgerkrieg hatte sich aus einer Fehde großer Vasallen entwickelt; bei seinem Ende war die Hauptstadt weitgehend zerstört. Aber immer noch bestimmten Chaos, Fehden, Überfälle und Feldzüge das folgende Jahrhundert (»Die Zeit der kämpfenden Reiche«, »sengoku-jidai«). Alte Geschlecher gingen zugrunde, neue politische Gebilde entstanden. Zudem waren 1542/43 Europäer nach Japan gelangt; Feuerwaffen wurden bekannt.
 
In Ostjapan brachte ab 1560 Oda Nobunaga Provinz um Provinz in seine Gewalt. Der letzte Ashikaga-Schogun musste fliehen, das Muromachi-Schogunat hörte 1573 zu bestehen auf.
 
 Die Einigung Japans während des Interregnums Oda/Toyotomi (1573—1603)
 
Oda Nobunaga wandte sich nun Westjapan zu. Nach jahrelangen Kämpfen starb er 1582 durch Verrat. Toyotomi Hideyoshi, einer seiner Heerführer, führte die eingeleiteten Operationen zu Ende und gewann weitere Provinzen; 1587 wurde er zum Großkanzler ernannt und erhielt den Familiennamen Toyotomi. 1590 waren die letzten noch unbotmäßigen Landesherren bezwungen, zog er in die Burg von Odawara ein, wo er dem bereits mit Nobunaga verbündeten Tokugawa Ieyasu die Kantōprovinzen übertrug. Letzterer hielt am 30. August 1590 Einzug in die Burg Edo.
 
Das geeinte Japan stand jetzt wieder unter einer Zentralregierung. Toyotomi Hideyoshi begann nun einen — allerdings glücklosen — Eroberungskrieg gegen Korea. Er führte aber auch den von Nobunaga begonnenen Ausbau der Verkehrswege und die Landvermessung fort; damit wurden sichere Maßstäbe für die Besteuerung und die Belehnung geschaffen. Die Konflikte nach Hideyoshis Tod (1598) fanden ihr Ende in der Schlacht bei Sekigahara (1600), aus der Ieyasu als Sieger hervorging.
 
Prof. Dr. Hans A. Dettmer
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Japan in der Isolation (1603 bis 1868): Das Schogunat der Tokugawa
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Japan bis 710 n. Chr.: Am Anfang war die Sonne
 
 
Barth, Johannes: Kamakura, Band 1: Die Geschichte einer Stadt und einer Epoche. Tokio 1969.
 
The Cambridge history of Japan, herausgegeben von John W. Hall u. a. Band 3: Medieval Japan, herausgegeben von Kozo Kamamura. Neudruck Cambridge u. a. 1995.
 Dettmer, Hans A.: Einführung in das Studium der japanischen Geschichte. Darmstadt 1987.
 Dettmer, Hans A.: Grundzüge der Geschichte Japans. Darmstadt 51992.
 Hall, John Whitney: Das japanische Kaiserreich. Fischer-Weltgeschichte, Band 20. Aus dem Amerikanischen. Frankfurt am Main 63.-64. Tausend 1994.
 Hurst III, G. Cameron: Insei. Abdicated sovereigns in the politics of late Heian Japan. 1086-1185. New York u. a. 1976.
 Ladstätter, Otto und Linhart, Sepp: China und Japan. Die Kulturen Ostasiens. Wien u. a. 1983.
 Mass, Jeffrey P.: The development of Kamakura rule, 1180-1250. A history with documents. Stanford, Calif., 1979.
 Mass, Jeffrey P.: The Kamakura Bakufu. A study in documents. Stanford, Calif., 1976.
 Mass, Jeffrey P.: Warrior government in early medieval Japan. New Haven, Conn., 1974.
 Murdoch, James: A history of Japan, Band 1: From the origins to the arrival of the Portuguese in 1542 a. D. Neuausgabe New York 1964.
 Sansom, George B.: A history of Japan. 3 Bände. London1958-63. Nachdruck Folkestone 1978.

Universal-Lexikon. 2012.

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